aus: junge Welt vom 26.9.

»Widerstand nicht auf morgen verschieben«

Bundesweiter Grundrechtekongress will unter anderem Behördenwillkür bei Protesten gegen G-20-Gipfel beleuchten.

Ein Gespräch mit Nils Jansen
Interview: Markus Bernhardt
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Foto: Boris Roessler/dpa

Nils Jansen ist ­Sprecher der Initiative »­Demonstrationsrecht verteidigen!« und Mitglied im Verdi-Bezirksjugendvorstand NRW-Süd

Am 7. Oktober veranstalten Sie in Düsseldorf einen bundesweiten Kongress unter dem Motto »Demonstrationsrecht verteidigen! Aufruf zum Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte«. Was ist der Anlass für diese Tagung?

Konkreter Anlass sind die starken Grundrechtsverletzungen durch Polizei und Justiz beim G-20-Gipfel. Doch der Kongress beschränkt sich nicht auf die Ereignisse von Hamburg.

Sondern geht in welchen Stellen darüber hinaus?

Wir wollen mit der Erklärung auf den umfassenden Rechtsruck der Regierung aufmerksam machen, der sich aktuell vor allem im radikalen Abbau der Grundrechte äußert. Diese Einschränkungen betreffen die gesamte soziale und gewerkschaftliche Bewegung, und überhaupt jeden Menschen in Deutschland. Sie gehören zu den tiefsten Eingriffen in die Versammlungsfreiheit seit Bestehen der Bundesrepublik. Wer heute nicht handelt, wird vielleicht morgen aufwachen, und sich fragen, wo sein Demonstrationsrecht geblieben ist.

Können Sie noch einmal kurz schildern, was Ihnen in Hamburg widerfahren ist, um das plastisch zu machen?

Am Freitag, dem 7. Juli, wollten wir morgens gemeinsam an den angekündigten Blockaden gegen das Gipfeltreffen der G 20 teilnehmen. Doch dazu kam es nicht. Nach nur 20 Minuten stoppte die Polizei unseren Demonstrationszug. Dann ging alles blitzschnell. Von zwei Seiten wurden wir von Dutzenden Polizisten und zwei Wasserwerfern angegriffen und unsere Demo regelrecht zerschlagen. Wir wurden dann in die sogenannte Gefangenensammelstelle gebracht. Die Zustände dort waren entwürdigend.

Inwiefern?

Wir wurden in einen fensterlosen Container mit nichts als einer Holzbank und glatten weißen Wänden gesperrt. Wir alle mussten uns vor der Polizei nackt ausziehen. Alle außer den Minderjährigen wurden dort mehr als 35 Stunden festgehalten. Der letzte Kollege wurde erst nach einer Woche aus der Haft entlassen. 13 Kolleginnen und Kollegen aus Bonn werden nun mit mehrjährigen Haftstrafen bedroht.

Ihren Aufruf, der den gleichen Titel wir der Kongress trägt, haben mittlerweile mehrere hundert Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Medien unterzeichnet. Sind Sie mit diesem Ergebnis zufrieden?

Auf jeden Fall zeigt die breite Unterstützung schon jetzt die Relevanz dieses Themas. Mehrere Dutzend Gewerkschafter und Gewerkschaftsgremien, Bürgerrechtsorganisationen, Politiker und Künstler, wie der Kabarettist Wilfried Schmickler, rufen zur Unterzeichnung und Verbreitung unserer Erklärung auf. Auf dem Kongress selbst werden unter anderem Alexander Bosch von Amnesty International, die Linke-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke und Gabriele Heineke vom Republikanischen Anwätinnen- und Anwälteverein ihre Einschätzungen beitragen. Das ist ein erster Schritt für alle, die den nötigen Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte nicht auf morgen verschieben wollen. Dann könnte es nämlich dafür zu spät sein.

Etablierte Politik und Medien haben nach dem G-20-Gipfel die teils äußerst brutale Polizeigewalt verharmlost oder gar geleugnet. Ist es Ihnen bisher gelungen, Ihre Sicht auf die Ereignisse in Hamburg breiteren Schichten der Bevölkerung nahezubringen?

Angesichts der auf Video festgehaltenen brutalen Gewaltexzesse der Polizei beim G-20-Gipfel ist es heutzutage natürlich immer schwerer, die offiziellen Falschmeldungen längere Zeit aufrechtzuerhalten. Im Wahlkampf von CDU und AfD, aber auch der SPD, wurde ziemlich hektisch an einer Kampagne gegen das »Feindbild links« gearbeitet. Viele Kollegen fallen da aber nicht drauf rein.

Unterstützen die Bundes- und Landesebene von Verdi Ihre Aktivitäten?

Mehrere Landesbezirksjugendvorstände unterstützen bereits unsere Erklärung, die bundesweite Gewerkschaftszeitung Publik hat erst kürzlich über die Vorfälle in Hamburg und über unsere Initiative berichtet. Nach der Sommerpause verabschiedete auch der Bezirk NRW-Süd eine offizielle Solidaritätserklärung mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen.

Bundesweiter Kongress »Demonstrationsrecht verteidigen! Aufruf zum Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte«, Sonnabend, 7. Oktober, 11–18 Uhr, Volkshochschule Düsseldorf, Bertha-von-Suttner-Platz 1

https://www.jungewelt.de/artikel/318862.widerstand-nicht-auf-morgen-verschieben.html