G20-Urteil
Die Hysterie-Berichterstattung
Weil er am Rand der G20-Proteste in Hamburg zwei Flaschen geworfen hatte, sass ein Zürcher neun Wochen in Untersuchungshaft. Jetzt wurde er zu Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Medien sprechen von einem «milden Urteil». Der Mann geht in Berufung.
Der allererste Verhaftete an den G20-Protesten in Hamburg war ein 29-jähriger Mann aus Zürich. In der Nacht auf den 6. Juli war er am Rand einer Demonstration festgenommen worden, nachdem er betrunken zwei Glasflaschen in die Richtung einer mit Schutzrüstung und Helmen ausgestatteten Polizeieinheit geworfen hatte. Niemand wurde getroffen. Danach habe er einen Mann geschlagen, so die Anklage – dieser Punkt fiel vor Gericht in sich zusammen, als ein Polizist als Zeuge auftrat, der den Mann entlastete. Eine Aussage, die von Anfang an aktenkundig war.
Die Schuldvermutung
Die Enttarnung des Angeschuldigten erfolgte durch den «Tages-Anzeiger» drei Wochen nach der Verhaftung. Der Polizeireporter des Blattes hatte die Identität des Mannes herausgefunden, der in Zürich ein Restaurant mitbetreibt; das Restaurant war ein Jahr zuvor im «Tages-Anzeiger» in prägnanten Worten gelobt worden. Obwohl er die Identität des Angeschuldigten in seinem Artikel verschwieg, verwendete der Journalist diese prägnanten Worte im ersten Satz mit dem Verweis auf die frühere Berichterstattung. Man brauchte nur diese Worte plus Quellenverweis bei Google einzugeben, schon hatte man den Angeschuldigten gefunden. Kurz darauf schwirrten Name und Bild des Mannes durch das Netz. Einen Tag später brachte der «Blick» den Mann mit dünnem Gesichtsbalken gross im Blatt, ein Reporter tauchte bei NachbarInnen und Eltern auf, klingelte die Freundin des Mannes und seine dreijährige Tochter aus dem Bett. Im Betrieb des Zürchers gingen schwere Drohungen von Rechtsradikalen ein. Man werde den Laden stürmen, niederbrennen, verrecken würden sie, und so weiter.