»Frontalangriff auf die Menschenwürde«
Hamburg: Juristin Gabriele Heinecke verurteilte Grundrechtseinschränkungen beim G-20-Gipfel
Von Kristian Stemmler
Die »Wellcome to hell«-Demonstration am Vorabend des G-20-Gipfels wurde von Polizeieinheiten mit Hilfe von Reizgas und Wasserwerfern zerschlagen. Danach kam es zu den Ausschreitungen im Hamburger Schanzenviertel | Foto: Axel Heimken/dpa
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»Die Gefahr, die uns droht, ich möchte es noch einmal unterstreichen, ist der totale Staat im Gewande der Legalität, die Diktatur hinter der Fassade formaler Demokratie.« Mehr als 50 Jahre ist es her, dass Georg Benz vom damaligen Hauptvorstand der IG Metall auf einem Kongress in Frankfurt am Main diese Worte sprach. Rund 20.000 Linke hatten sich im Oktober 1966 versammelt, um vor den geplanten Notstandsgesetzen zu warnen, die dann 1968 tatsächlich von der Großen Koalition beschlossen wurden.Längst ist es wieder Zeit für solche Warnungen, auch ohne dass eine Verfassungsänderung droht. Das machte die Rechtsanwältin Gabriele Heinecke am Mittwoch abend in Hamburg deutlich. Beim 159. Jour Fixe der Gewerkschaftslinken im Curiohaus, dessen Themen der G-20-Gipfel Anfang Juli und die folgenden Prozesse waren, zitierte sie Benz und schloss einen eindringlichen Appell an die rund 100 Zuhörer an.
Man müsse über das durchaus berechtigte »Jammern«, über das, was Linken beim Gipfel geschehen sei, hinausgehen. Denn, so Heinecke: »G 20 war ein Frontalangriff auf die Versammlungsfreiheit, auf die Menschenwürde, auf jede organisierte Gegenwehr.« Die Juristin war während des Treffens von Staats- und Regierungschefs Sprecherin des anwaltlichen Notdienstes gewesen. Mit Blick auf die drastischen Einschränkungen von Grundrechten während des Gipfels und auf die Prozesse und Razzien danach sprach das Bundesvorstandsmitglied des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins von einem »Polizeistaatsszenario«. Man bekomme eine Ahnung davon, »woraus Diktatur gemacht ist«. Leider sei ein breiter Protest gegen solche Entwicklungen nicht in Sicht. »Wir müssen uns organisieren, wir müssen mehr werden«, mahnte Heinecke eindringlich.